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Mein Vorfahr Joseph Schöttle, geb. 25.1.1784, in Ebhausen bei Nagold im Nordschwarzwald, war das älteste von 7 Kindern seiner Eltern Johann Ulrich und Margarethe, geborene Löffler.
Zum Tode von Johann Ulrich Schöttle, Josephs Vater, ist im Ortssippenbuch von Ebhausen # 2287 vermerkt: “Er stürzte auf dem Weg von Monhardt hierher von einem Wägele, auf dem er aufgesessen war, herab und starb nach wenigen Minuten“.
     Es gibt ein Foto aus neuerer Zeit von dem Haus, in dem Joseph mit seiner Familie wohnten. Es ist nichts darüber überliefert, welche Gründe Joseph Schöttle veranlassten, auszuwandern.




Haus in Ebhausen, wo Joseph Schöttle vor der Auswanderung wohnte

    Wir befinden uns im Zeitalter der Romantik. Die Lebensverhältnisse in dieser Zeit waren in Württemberg aber alles andere als romantisch. Er wanderte 1804 im 20. Lebensjahr aus, als König Friedrich der I. von Württemberg herrschte (1764-1816).
Hier seien einige allgemeine Gründe der Auswanderung aus Württemberg während dieses Zeitraumes genannt:
    Schon unter dem König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ließen sich viele Deutsche in den Gebieten von Posen und Danzig ansiedeln. Sein Sohn, Friedrich der Große, setzte die begonnene Ansiedlung großzügig und erfolgreich fort.
    Die Auswanderung von Joseph Schöttle, meines Ur-Ur-Ur-Großvaters erfolgte in die Provinz Südpreußen, welche -neben Neu-Ostpreußen- 1793 und 1795 nach der 2. und 3. Teilung Polens unter Friedrich Wilhelm III. zu Preußen kam. Diese Gebiete waren schwach besiedelt und verwahrlost. Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) verfügte, dass die neuen Gebiete mit deutschen Bauern besiedelt werden. Seine Werbung in den süddeutschen Ländern – insbesondere ein Hauptmann Nothardt – hatte großen Erfolg, obwohl die Aussiedlerländer die Auswanderung mit verschiedenen Schikanen zu unterbinden suchten (das Recht des freien Zuges im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation galt nur innerhalb seiner Grenzen – von 1514 bis 1806).

    Eine massive Werbung der drei Mächte Preußen, Russland und Österreich führte zu einem Höhepunkt der Emigration 1803 / 04. Im Zeitraum zwischen 1800 und 1804 verließen etwa 10.000 Personen ihre Heimat in Richtung „Preußisch Polen“ und Russland. Vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III wurde ab 1799 systematisch Anwerbung von Aussiedlungswilligen in Württemberg betrieben. Es sollten die Gebiete „Südpreußen“ und „Neuostpreußen“, die infolge der zweiten und dritten Teilung Polens annektiert worden waren, mit deutschen Bauern besiedelt, kultiviert und nach außen abgesichert werden. Es wurde mit günstigen Ansiedlungsbedingungen geworben: Ausgabe von Reisegeld, kostenlose umfangreiche Landzuweisung, kostenloser Bau der Wohngebäude, kostenlose Stellung von Wirtschaftsgerät und notwendigem Viehbestand, 3 bis 6 Freijahre, mäßige Abgaben, freie Religionsausübung und Freiheit vom Militärdienst für die Kolonisten und ihre einwandernden Söhne – das Ganze bei recht bescheidenen Anforderungen an das mitzubringende Vermögen. Diese Zusagen wurden königlich garantiert.

Wirtschaftliche Gründe:
Durch die bäuerliche Realteilung in Württemberg wurden die Anbauflächen immer kleiner. Württemberg war damals eines der ärmsten und bevölkerungsreichsten Länder Europas: Waldbrände, Mißernten, Bevölkerungsexplosion und Teuerung trugen dazu bei. Die Industrialisierung kam in Württemberg erst ab 1809 langsam in Gang.

Politische Gründe:

Die Obrigkeit finanzierte luxuriöse Bauten und aufwändige Hofhaltung zu Lasten der Bauern. Streng gehandhabte Rekrutierungspflicht hat die Auswanderungsneigung ab 1799 zusätzlich verstärkt.
    Der König kümmerte sich wenig um die Not der Menschen. Der komplizierte Staatsapparat erforderte eine strenge Aufsicht, und die Polizei bildete fast den wichtigsten Zweig der Verwaltung. Eine strenge Überwachung der Untertanen in ihrem Tun und Lassen, Reden und Denken wurde eingeführt, um die Regungen des neuen Geistes, der von Preußen her wehte, zu unterdrücken. Geheime Kundschafter beobachteten in Wirtshäusern und Privatgesellschaften die harmlosesten Zusammenkünfte und belauschten die Unterhaltungen. Öffentliche Versammlungen waren verboten.
    In der Zeit der Kriegsjahre 1792-1815 kamen feindliche Truppen wiederholt nach Württemberg und das Land hatte schwer unter den Folgeerscheinungen zu leiden. Schon 1796, als die Franzosen unter Moreau in Schwaben eindrangen, war das Land der Willkür der republikanischen Truppen ausgeliefert, die das Volk drangsalierten. Kam ein Kommandant mit seiner Truppe in einen Ort, so ergingen sofort Befehle zur Lieferung von barem Geld und Naturalien. Die Soldaten plünderten Häuser.
   1799 kamen die Franzosen wieder, man machte sich über die Vorräte her, entführte das Vieh und verwüstete Felder. Einquartierung, Vorspanne und Fronen hinderten die Bauern daran, ihrer Feldarbeit nachzugehen. Naturallieferungen und Kriegsabgaben hatte in der langen Zeit der napoleonischen Kriege zum größten Teil der Bauer zu tragen. Die Kriegslasten und Steuern häuften sich dermaßen, dass mancher genötigt war, seine Äcker um jeden Preis zu verkaufen, um nur seine Abgaben entrichten zu können.
    Die Maßnahme des Herrschers zur Schaffung eines Heerwesens und die gewalttätige Aushebung der Rekruten, versetzte die jungen Württemberger in Angst und Schrecken.
    In Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Situation um die Wende zum 19. Jahrhundert ist leicht nachzuvollziehen, dass viele Württemberger den Verlockungen der preußischen Werber folgten und ihr Heil im Osten suchten.
    Die Gründung des Rheinbundes am 12.7.1806  bedeutete das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Auch das Recht des freien Zuges war damit aufgehoben worden. In Württemberg gab es ab 1807 ein Auswanderungsverbot.
    Das Feudalsystem und die Leibeigenschaft wurden ebenfalls abgeschafft, eine Errungenschaft in der Folge der Französischen Revolution und von Napoleon auf den Deutschen Bund übertragen.
   Württemberg ging die Verpflichtung ein, 12.000 Soldaten für den Russlandfeldzug zu stellen. Von den 15.800, die mit Napoleon abmarschierten, kamen nur 150 zurück.
   In Württemberg, das sich dem von Napoleon beherrschten Rheinbund angeschlossen hatte, wurde die Agrarreform erst 1817 eingeleitet.  Doch bereits 1813 während der Völkerschlacht liefen württembergische Hilfstruppen über zu den gegen Napoleon kämpfenden Mächten.

Die Aussiedler (insgesamt ca. 13.800) kamen aus Württemberg, Baden, Pfalz und dem Elsass. 1800 und 1803 wurden allein im Warschauer Bezirk 1.103 Familien angesiedelt.
   Unter ihnen befand sich auch Joseph Schöttle aus Ebhausen, dessen Vorfahren seit dem 17. Jahrhundert Zeugmacher waren. 
   Nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich kam dieses Gebiet 1806 zum „Herzogtum Warschau“. Durch den Sieg Russlands und Preußens über Napoleon fiel das Gebiet durch die Entscheidung des Wiener Kongresses (1815) in den Machtbereich Russlands.
   Zar Alexander I. (1801-1825) machte den deutschen Siedlern das Angebot, nach Bessarabien umzusiedeln. Dieses Gebiet zwischen Dnjestr, Pruth nördlich des Schwarzen Meeres, hatte der Zar im 3. türkisch-russischen Krieg (1806 – 1812) den Türken abgenommen (Frieden von Bukarest, danach griff Napoleon Russland an).
   Ein Teil der Landschaft des ehemaligen Fürstentum Moldau und das südlich davon gelegene Gebiet am Nordufer des Schwarzen Meeres (heute zur Ukraine gehörend) wurden nun Bessarabien genannt nach dem ehemaligen walachischen Herrscherhaus Basarab. Bessarabien war ein wenig erschlossenes Steppengebiet mit äußerst fruchtbarem Humusboden. Der Südteil wurde an verdiente russisch Adlige verschenkt. Ein Teil von Mittelbessarabien, das durch den Abzug vieler moldauischer Bauern zu versteppen drohte, wurde ab 1814 an deutschen Bauern zu je 60 Dessjantinen vergeben. Zwischen 1814 und 1842 kamen etwa 10.000 Einwanderer unter den gleichen Bedingungen und Privilegien nach Bessarabien, die schon erstmals im Manifest der Zarin Katharina der Großen (1762 – 1796) festgelegt waren.

Die wichtigsten Privilegien des Manifestes von Zar Alexander des I. waren folgende:
- Wer die Reise nicht selbst bezahlen kann, wird auf Kosten der russischen Regierung befördert und mit dem nötigen Reisegeld versehen.
-  In der russischen Residenz angelangt, sollen sich die Eingewanderten frei entscheiden können, „ob sie sich unter die Kaufmannschaft oder unter Zünfte einschreiben lassen und Bürger werden wollen......oder ob sie Verlangen tragen, auf freiem und nutzbaren Boden in ganzen Kolonien....... sich niederzulassen“.
- Die Zusicherung unverminderter freier Religionsausübung der Einwanderer nach ihren Kirchensatzungen und Gebräuchen, sowie Errichtung von Kirchen und Glockentürmen, wo immer sie sich niederlassen.
- 30 Freijahre von Steuern in den Kolonien, in den Städten 10 Jahre.
-  Unterstützung aller Unternehmungen durch die Regierung, sei es in der Landwirtschaft oder in der Anlage von Fabriken.
-  Zinslose Darlehen für alle Anschaffungen ......

Den Kolonisten wurde Selbstverwaltung und eigene Rechtsprechung zugesichert. Allen Auswanderern und ihren Nachkommen wurde Befreiung vom Militärdienst und freie Rückwanderung gewährleistet.

1814 folgte Joseph Schöttle dem Rufe des Zaren mit vielen anderen „Warschauer Kolonisten“, die meist aus Württemberg stammten. Weshalb wollte man hier nicht bleiben? In den 12 Jahren hatte dreimal die Regierungsmacht gewechselt. Man befand sich in einem Gebiet, das überwiegend von Polen besiedelt war. Diese sahen die Deutschen auf ihrem Boden als Eindringlinge an. Auch waren die Deutschen meist evangelisch, während die Polen katholisch sind. Durch die Kriegszüge von Napoleon war das Land verwüstet. Auch ist das Klima für die Landwirtschaft in Polen weniger günstig als am Schwarzen Meer im Süden Russlands. Man zog einen Neuanfang unter dem Vorteil so vieler Privilegien dem Bleiben vor.

Joseph Schöttle hatte seine Heimat Ebhausen/Württemberg im Alter von 20 Jahren 1804 verlassen und siedelte sich zunächst in Südpreussen in der Gegend von Plock/Bulkowo/Plonsk (heute Polen) an. 1814 wanderte er weiter und lebte ab 1815 im neugegründeten Wittemberg in Bessarabien / Russland. Seine Frau Johanna Maria Bürkle, geboren in Warth/Württemberg siedelte 1814 aus Brzeznica-Plonsk mit ihrer Familie gleichzeitig mit ihrem Mann nach Bessarabien um. Beide Familien waren Mitbegründer von Wittenberg/Bessarabien.
    Auf dem Wege dorthin wurden Joseph Schöttle und Johanna Maria Bürkle Eltern ihres ersten Sohnes Johannes (geb. 1814).
Die Auswanderung begann 1814. Doch sicher hatte man sich den Neubeginn nicht so schwierig vorgestellt wie er dann kommen sollte. Man musste ein bis zwei Jahre bei moldawischen Bauern unterkriechen oder in Erdlöcher hausen, bis die ersten Siedlungen aufgebaut waren.
   Die "Mutterkolonie" Wittenberg wurde 1815/16 gegründet.* Joseph Schöttle erhielt dort eine Hofstelle.
Der Ehe mit Frau Johanna Maria, geborene Bürkle, entsprossen 9 Kinder.

Sein Sohn Michael heiratete Maria Elisabetha, geborene Keller. Über deren Sohn Michael ist einiges bekannt. Er brachte es in Plotzk (Bessarabien) als Bauer und Tischler zu Wohlstand. Drei seiner Söhne wurden Lehrer, mein Großvater Immanuel verlegte sich voll auf die Landwirtschaft. Nur damit konnte man in Bessarabien wohlhabend werden, musste allerdings zum russischen Militärdienst, was den Lehrern erspart blieb. Nach dem 27. Lebensjahr durften diese zusätzlich zu ihrem Lehrerberuf auch Landwirtschaft betreiben.

Bereits im Jahre 1871, nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich, war die „Ewigkeit“ der Befreiung vom Militärdienst für die Bessarabiendeutschen Siedler zu Ende. Die Kolonisten wurden gezwungen, im russischen Heer 3 – 5 Jahre zu dienen. Es begann unter Zar Alexander II (1855 – 1881) die Zeit der „Russifizierungspolitik“: die Aufhebung der „Fürsorgekomitees“ und die Unterstellung der deutschen Kolonien unter die allgemeine Verwaltung. Der Gebrauch der deutschen Sprache wurde verboten, die Schulen und Kirchen zeitweise geschlossen.

Das Jahr 1915 brachte die Enteignungsgesetze, die den deutschen Kolonisten nicht nur jeden Eigenbesitz wegnahmen, sondern ihnen auch das Recht auf jeden Besitz absprachen. „Je mehr v. Hindenburg vom Norden und v. Mackensen von Süden die Russen bedrängten, um so höher stieg der Hass gegen die Deutschen an den westlichen Randgebieten, besonders gegen die Wolhynien- und die Bessarabiendeutschen (Karl Knauer, S. 75 Die alte und die neue Heimat der Bessarabiendeutschen).

Im Frühjahr 1917 sollte das Gesetz ausgeführt, die Kolonisten aus ihrer Heimat vertrieben werden. Hunderte von Güterwaggons wurden für die Deportation nach Sibirien bereitgestellt. „Die Abnahme von Besitzurkunden............konnte man noch ertragen, jedoch das Verlassen der Heimat mitten im Winter ohne die draußen auf dem Schlachtfeld sich verblutenden Männer, Söhne, Brüder,- das löste einen Schock aus, der nicht mehr zu überwinden war. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember fing es an zu schneien. Es schneite auch die folgenden Tage ununterbrochen. Der Schnee stieg mannshoch. Die einzelnen Ortschaften waren wochenlang ganz voneinander getrennt.“ Mitte Januar 1917 erschien, mühsam durch den Schnee gebracht der „Bezirkspristav“ und eröffnete, dass die Deportation der Deutschen aus Bessarabien auf unbestimmte Zeit aufgeschoben wird.“ Ungeordnete Scharen der geschlagenen zurückweichenden russischen Armee wurden von den Deutschen aufgenommen. Die leerstehenden Güterwaggons waren die einzige Rettung für die Zurückflutenden. 
    Im März 1917 brach dann die allgemeine russische Revolution aus. Die Besitzurkunden wurden wieder ausgehändigt.
    Die Revolution rettete sie vor dem Verderben, ohne dass die Enteignungsgesetze aufgehoben wurden. Im Winter 1917/18 erlebte Bessarabien die Anarchie der bolschewistischen Revolution. Banden trieben ihr Unwesen. Insbesondere berüchtigt war die Machno-Bande. Die Bessaraber setzten sich mit dem „Selbstschutz“ zur Wehr. Organisator des Selbstschutzes war Johann Lauer. Er konnte mehrere Angriffe auf sich und Großliebenthal erfolgreich abwenden.
    Der zunehmende Druck des Bolschewismus veranlasste den Landesrat, Rumänien um Schutz der Bevölkerung Bessarabiens zu ersuchen. Daraufhin rückte die rumänische Armee am 26.1.1918 ein und besetzte ganz Bessarabien. Der Anschluß der „Moldowanischen Republik“ an Rumänien wurde durch König Ferdinand I. am 27.11.1919 durch Dekretgesetz legalisiert. Die Entente-Mächte (USA, England, Frankreich, Italien u.a. erkannten die Oberhoheit Rumäniens über das Gebiet Bessarabiens am 9.12.1919 an. Der oberste Rat der Entente bestätigte den Vertrag am 28.10.1920 während die Ratifizierung durch die Parlamente noch bis 1926 dauerte.
*Siehe auch Heimatbuch Wittenberg/Bessarabien, Herausgeber: Christian Fiess.
Verein der Bessarabiendeutschen, Stuttgart. Autoren: Paul Rath und Klara Bollinger.

Die Bessarabien-Deutschen (ca. 93.000) wurden auf Grund einer geheimen Vereinbarung zwischen Hitler und Stalin, die im Zusammenhang mit dem Nichtangriffspakt im August 1939 getroffen wurde, im September / Oktober 1940 in den besetzten "Warthegau" umgesiedelt. Deshalb kamen wir nach Posen. Im Januar 1945 setzte die Flucht vor der Roten Armee ein. So kam die Familie zunächst nach St. Margarethen an der Elbe. 1950 erfolgte die Umsiedlung nach Backnang in Württemberg. Meine Familie kam in den Jahren 1940 bis 1950 etwa auf dem gleichen Weg zurück, wie unser Vorfahr Joseph Schöttle ca. 140 Jahre zuvor ausgewandert ist, jeweils mit einem mehrjährigen Wohnsitz in Polen. 



 
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